Muss ich erst „krank“ oder „verrückt“ sein, um Hilfe zu bekommen?
Der Zugang zu einer kassenfinanzierten Psychotherapie ist nur über eine psychiatrische Diagnose möglich. Die einzige Möglichkeit, dies zu umgehen, besteht darin, die Behandlungskosten selbst zu übernehmen. Dennoch heißt es nicht, dass du „verrückt“ bist, wenn du unter einer psychischen Erkrankung leidest. Psychische Beschwerden sind genauso ernst zu nehmen wie körperliche Erkrankungen und sind etwas ganz Normales. Etwa jede*r fünfte*r Jugendliche zeigt psychische Auffälligkeiten.
Wie lange dauert eine Behandlung?
Das kommt ganz darauf an und ist immer individuell abhängig von den Beschwerden. Eine Kurzzeittherapie dauert in der Regel bis zu 24 Stunden, eine Langzeittherapie kann 60 bis maximal 80 Sitzungen in Anspruch nehmen. Eine Therapiesitzung dauert jeweils 50 min und findet einmal wöchentlich statt.
Müssen meine Eltern einer Behandlung zustimmen?
Ab dem vollendeten 15. Lebensjahr können Jugendliche eigenverantwortlich eine Psychotherapie beginnen. Es kann aber sinnvoll sein, die Eltern in die Behandlung miteinzubeziehen, da ihre Mitarbeit oft den Therapieerfolg mitbestimmt und regelmäßige Gespräche mit den Eltern somit ein wichtiger Bestandteil sein können.
Wie wirkt Verhaltenstherapie?
Nach der Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells werden funktionale und wirksame Möglichkeiten zur Bewältigung der aktuellen Problematik erarbeitet. Eine Besserung stellt sich jedoch erst durch die Erprobung der gefundenen Handlungsalternativen im Alltag ein. In diesem Sinne ist Verhaltenstherapie ein erfahrungs- und erlebnisorientiertes Psychotherapieverfahren. Das passiert z.B. durch das aktive Herstellen oder reale Aufsuchen der bisher als schwierig empfundenen oder sogar vermiedenen Situationen gemeinsam mit der Therapeutin, um die zuvor erarbeiteten Strategien konkret anzuwenden und die Situation so zu bewältigen.
Muss ich Medikamente nehmen?
In den meisten Fällen ist Psychotherapie ausreichend, manchmal kann jedoch eine unterstützende medikamentöse Behandlung erforderlich sein, um eine Besserung der Symptomatik zu erreichen. In diesem Fall helfe ich gerne bei der Vermittlung an einen Kinder- und Jugendpsychiater.
Wer trägt die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung?
Die private Krankenversicherung bzw. die Beihilfe trägt in den meisten Fällen die Kosten für eine Psychotherapie, manchmal gibt es jedoch vertragliche Vereinbarungen zu einer Obergrenze bezüglich der jährlich abgehaltenen Therapiestunden. Am besten erkundigst du dich vorher bei eurer Versicherung. Die Kosten für Psychotherapie richten sich nach der Gebührenordnung für Psychotherapeuten (GOP). Außerdem ist es möglich, die Kosten selbst zu übernehmen. In diesem Fall gehen keinerlei Informationen an die Krankenkasse.
Ich bin gesetzlich versichert, kann ich dennoch in einer Privatpraxis behandelt werden?
Ja! Über das sog. Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Absatz 3 SGB V können auch gesetzlichVersicherte über ein spezielles Antragsverfahren eine Psychotherapie in einer Privatpraxis inAnspruch nehmen, wenn sie vergeblich nach einem Therapieplatz gesucht haben und dies anhandeiner schriftlichen Dokumentation nachweisen können. In jedem Fall muss vorher eine psychotherapeutische Sprechstunde bei einem*r Psychotherapeut*in mit Kassenzulassung erfolgen,der anhand des Formulars PTV11 die Behandlungsbedürftigkeit feststellt. Diese kann z.B. über dieTerminservicestelle (TSS) vereinbart werden.
Ist ein Dringlichkeitscode auf dem PTV11-Formular notwendig?
Ja. Die Krankenkassen dürfen einen Antrag auf Kostenerstattung ablehnen, wenn keinDringlichkeitscode vorliegt.
Wie viele Absagen von niedergelassenen Psychotherapeut*innen dürfen Kassen bei einem
Antrag auf Kostenerstattung erwarten?
20-30
Muss mich meine Krankenkasse zur Möglichkeit der Kostenerstattung beraten?
Krankenkassen sind verpflichtet, zur Therapieplatzsuche inklusive der Kostenerstattung zu beraten
und ihre Versicherten aktiv bei der Suche zu unterstützen.
Die Krankenkasse teilte mir mit, Kostenerstattung gebe es bei ihr nicht mehr und ein
Antrag sei aussichtslos. Stimmt das?
Nein! Diese Aussage ist nicht zutreffend.
Die gesetzliche Grundlage für die Psychotherapie in der Kostenerstattung (§ 13 Abs. 3 SGB V) gilt
nach wie vor. Du hast als Patient*in unter bestimmten Voraussetzungen (nicht grundsätzlich) einen
Anspruch auf die Erstattung einer selbstbeschafften Leistung (z. B. eine Psychotherapie in einer
Privatpraxis). Die erforderlichen Unterlagen können je nach Krankenkasse unterschiedlich sein. Frag
daher genau nach, welche Vorgaben bei deiner Krankenkasse gelten. Diese ist nach § 14 SGB I dazu
verpflichtet, über die den Versicherten zustehenden Sozialleistungen zu beraten.
Die Krankenkasse verweist auf die Terminservicestelle (TSS), obwohl ich schon eine
Sprechstunde besucht und dort ein Formular erhalten habe, auf dem mein Bedarf
festgestellt wurde. Was kann ich tun?
Ruf im Rahmen deiner Mitwirkungspflicht umgehend die Terminservicestelle unter 116117 an. Diese
hat die Aufgabe, dir innerhalb von vier Wochen einen Termin bei einem niedergelassenen
Psychotherapeuten bzw. einer Psychotherapeutin zu vermitteln, welcher in maximal 30 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Kann dieser dir einen Therapieplatz anbieten, besteht kein Anspruch auf die Behandlung in der Kostenerstattung. Scheitert der Vermittlungsversuch jedoch, so kannst du bei der Krankenkasse Widerspruch einlegen.
Wie lange haben die Kassen Zeit, einen Antrag auf Kostenerstattung zu bearbeiten?
In der Kostenerstattung sollte immer von 5 Wochen plus Postlaufzeit ausgegangen werden.
Die Krankenkasse lehnt den Antrag ab – Und jetzt?
Bestehe immer auf einen schriftlichen Ablehnungsbescheid (Bescheid = erkennbar an
Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Schreibens)! Danach sind die folgenden Handlungsoptionen
möglich:
- schriftlich Widerspruch einreichen
- Frist für einen Widerspruch: Ein Monat (eventuell spezialisierte Anwaltskanzlei konsultieren)
- Abwägen: Brief an Vorstand der Krankenkasse oder Beschwerde an das Bundesamt für
Soziale Sicherung (BAS)?
Kann ich bei Ablehnung gerichtlich vorgehen?
Eine Klage vor dem Sozialgericht ist für Versicherte immer kostenfrei. Man benötigt keine
Anwältin/keinen Anwalt.